Ausgabe 1/2015 Wirtschaftsspiegel Thüringen - page 5

Im Gespräch
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Foto: TMWWDG
Willkommen zurück in Thüringen, Herr
Minister! Sie stammen aus Gera, Ihr
Bruder lehrt an der Erfurter Universität,
da dürfte die Eingewöhnung nicht
schwerfallen. Wie gern haben Sie das
Angebot angenommen, als Minister in
den kleinsten der deutschen Freistaaten
zu kommen?
Ich freue mich, in Thüringen zu sein! Da
ich in Gera geboren bin, fühle ich mich
diesem Bundesland ohnehin verbunden.
Thüringen hat sich in den letzten Jahr-
zehnten enorm entwickelt und verän-
dert. Ich finde ein Bundesland vor, das
hervorragend aufgestellt ist, in Wirt-
schaft, Wissenschaft und Forschung.
Und ich freue mich, hier anknüpfen zu
können und meine berufliche und poli-
tische Erfahrung aus Industrie und
Hochschule, aus Exekutive und Legis-
lative einzubringen.
Es gilt, die Städte, die sich wirtschaft-
lich gut entwickelt haben, weiter zu
stärken. Den Regionen, die es ver-
gleichsweise schwer haben, will ich ei-
ne besondere Aufmerksamkeit widmen.
Wir müssen ihnen den Entwicklungs-
schub verleihen, der ihre Potenziale
und Schätze zum Tragen bringt.
Stimmt es eigentlich, dass der frühere
Wirtschaftsminister Matthias Machnig
an Ihrer Nominierung beteiligt gewesen
ist?
Ich bin gefragt worden – und zwar von
der Thüringer SPD –, ob ich mir vorstel-
len kann, das Amt des Thüringer Wirt-
schaftsministers zu übernehmen.
Sie haben die ersten Wochen genutzt,
um sich einen Überblick zu verschaffen.
Immerhin umfasst Ihr Ministerium drei
Bereiche, die zukunftsträchtig sind. Wie
fällt Ihre „Eröffnungsbilanz“ aus?
Ich habe ein gut funktionierendes Haus
mit vielen motivierten Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern übernommen. Daher
hatte ich einen guten Start hier in Thü-
ringen. Mit diesem Haus kann ich losle-
gen und mich mit unseren Partnern aus
Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam für den
Freistaat und eine zukunftsfähige Politik engagieren.
Sie haben sich bereits mit Vertretern der Kammern
und Wirtschaftsverbände getroffen – genauso wie mit
den Gewerkschaften. Dort wurden Erwartungen an Sie
und die Thüringer Wirtschaftspolitik formuliert. Einer
linkslastigen Regierung wird ja gern Wirtschaftsferne
unterstellt. Droht Ihnen ein Spagat?
Die SPD ist die Partei, die wirtschaftliche Vernunft mit
sozialer Gerechtigkeit verbindet. Das ist für mich ei-
ner der Gründe, warum ich in die SPD eingetreten bin.
Meine Besuche gleich in den ersten Tagen haben mich
deshalb zu Gewerkschaftern, Unternehmern und
Wirtschaftsverbänden geführt. Ich habe vor, mit bei-
den Seiten eng zusammenzuarbeiten. Vor der Regie-
rungsbildung ist viel über Rot-Rot-Grün als angebli-
chen „Investorenschreck“ und „Wirtschaftsverhinderer“
geschrieben worden. Das war nichts als Theater-
donner. Unternehmer treffen ihre Investitionsent-
scheidungen ganz sicher nicht nach ideologischen
Maßstäben, sondern nach harten Standortkriterien
und danach, ob sie in Politik und Verwaltung maxima-
le Unterstützung erfahren. Dafür werde ich sorgen.
Wie gehen Sie beispielsweise mit der Forderung um,
dass Thüringen bei der Bewilligung von Anträgen auf
Feiertagsarbeit flexibler werden muss?
Es ist meine Aufgabe als Wirtschaftsminister, die hie-
sige Wirtschaft zu stärken und die kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen bei ihrem Wachstum zu un-
terstützen. Wenn wir dann noch den einen oder
anderen großen Investor für Thüringen gewinnen
könnten, ist das der Idealfall. Auch auf den müssen wir
optimal vorbereitet sein. Eine stabile Unternehmer-
schaft und eine wachsende Wirtschaft wiederum sor-
gen für Arbeitsplätze. Als Sozialdemokrat ist es mein
Interesse, dafür zu sorgen, dass Thüringen mit guten
Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen punktet, Stich-
wort gute Arbeit. Davon profitieren Arbeitnehmer wie
Arbeitgeber, davon profitiert das ganze Land. Es gibt
Unternehmen, die sind wegen des Auftragsvolumens
und der Anlagenauslastung zwingend auf Sonntags-
und Feiertagsarbeit angewiesen, manche könnten an-
ders nicht überleben. Bei der Ausdehnung von
Arbeitszeiten müssen also Kompromisse gefunden
werden, die für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber tragbar
sind. Ich setze auf die gute Partnerschaft von Be-
triebsräten und Arbeitgebern.
Sie haben angekündigt, sich besonders um kleine
Firmen kümmern zu wollen. Wie klein
ist klein und welche Maßnahmen pla-
nen Sie?
Zu Kleinunternehmen zählen Firmen,
die bis zu 50 Mitarbeiter haben und ei-
nen maximalen Jahresumsatz von zehn
Millionen Euro erwirtschaften. Es gilt,
deren Bestand zu sichern und die
Expansion zu ermöglichen. Kleine
Unternehmen sind häufig auf Wirt-
schaftsförderung und regionale Bera-
tungsangebote angewiesen. Unter dem
Leitsatz „Regionales Wachstum“ setze
ich auf die Stärkung regionaler Ange-
bote. Ebenso muss die Forschungs- und
Innovationsförderung kleinen und mitt-
leren Unternehmen zugänglich sein.
Das ist zwingend erforderlich, um inno-
vative Produkte oder Dienstleistungen
auf den Markt zu bringen und neue
Kunden zu generieren. Weil kleine Fir-
men oft nicht über ausreichende finan-
zielle Ressourcen verfügen und zu we-
nig in die Netzwerke aus Wirtschaft und
Forschung eingebunden sind, will ich
die Fördersummen erhöhen und die
Beratung intensivieren.
Ihre Geburtsstadt Gera sorgte in den
letzten Monaten für jede Menge Ne-
gativ-Schlagzeilen. Sie waren schon bei
der Oberbürgermeisterin zum Antritts-
besuch. Eine Geste der Höflichkeit oder
hatten Sie schon Konkretes im Gepäck?
Ich habe die Entwicklung in Gera immer
intensiv und mit Herzblut verfolgt. Der
Besuch war natürlich auch eine Refe-
renz an meine Geburtsstadt. Und ich ha-
be festgestellt: Die Stadt hat ein enor-
mes Potenzial, das leider viel zu wenig
bekannt ist und genutzt werden muss.
Insgesamt aber geht es mir um das Sig-
nal, dass der Wirtschaftsminister und
die gesamte Landesregierung verstärkt
jene Thüringer Regionen in den Fokus
nehmen wollen, denen es wirtschaftlich
weniger gut geht. Ich habe der Ober-
bürgermeisterin und den Fraktionsvor-
sitzenden versprochen, sie bestmöglich
zu unterstützen, wenn es etwa um die
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