Ausgabe 1/2015 Wirtschaftsspiegel Thüringen - page 11

Thüringer Maschinenbau
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Foto: VDMA Ost
Das Jahr 2014 war das Jahr der unerfüll-
ten Hoffnungen. Zwar übertraf der
deutsche Maschinen- und Anlagenbau
sowohl beim Umsatz mit 212 Milliarden
Euro als auch in der Produktion mit 199
Milliarden Euro die bisherigen Rekord-
marken aus dem Jahr 2008. Zudem
durchbrach die Zahl der Beschäftigten
erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder
die Eine-Million-Grenze. Dennoch fehl-
te nach einem guten, zuversichtlichen
Beginn letztlich der Schwung. Zahl-
reiche Unternehmen des ostdeutschen
Maschinenbaus blicken daher auf ein
Jahr der Stagnation zurück.
Weiteres Wachstum 2015
Wie sich die Konjunktur im Jahr 2015
entwickelt, lässt sich derzeit nur schwer
prognostizieren. Zu viele unkalkulierba-
re Risiken stehen im Raum. So dämpfen
das mäßige Wachstum der Entwick-
lungs- und Schwellenländer, die schlep-
penden Reformen in Frankreich und
Italien sowie die geopolitischen Span-
nungen die Erwartungshaltung. Rü-
ckenwind verleihen könnten indes die
zunehmende Erholung einiger europäi-
scher Märkte, die steigende Investi-
tionsnachfrage in den USA und China,
die niedrigen Rohstoffpreise sowie die
verbesserten preislichen Wettbewerbs-
chancen infolge der Euro-Abwertung.
Daher geht der VDMA von einem Pro-
duktionswachstum von deutschland-
weit plus zwei Prozent aus – für Ost-
deutschland wird die Steigerung nach
jetziger Einschätzung knapp darunter
liegen.
Damit werden der Maschinenbau und
die Investitionsgüterindustrie auch
künftig einen maßgeblichen Anteil am
Wachstum der deutschen Wirtschaft ha-
ben. Dies kommt nicht von ungefähr,
sondern ist Ausdruck einer kontinuierli-
chen Kreativität und Leistungsfähigkeit
der Mitarbeiter und Unternehmens-
lenker. Infolge der zunehmenden Kon-
kurrenz im In- und Ausland wird es je-
doch immer schwieriger, die bisherigen
Erfolge fortzuschreiben.
Die Politik muss daher verstehen, wie
wichtig gerade für eine Schlüsselbran-
che wie den Maschinenbau Bildung,
Internationalisierung und eine innova-
tionsfreundliche Wirtschaftspolitik als
Basis für weiteres Wachstum und somit für den
Wohlstand in Deutschland sind. Die hierfür notwendi-
gen verlässlichen politischen Rahmenbedingungen
müssen wir gemeinsam einfordern! In Europa, im
Bund, aber auch in den Landesparlamenten und über
den Bundesrat.
Bildungspolitik und Fachkräfte im Fokus
Eine Herausforderung ist die bereits seit längerer Zeit
keimende Fachkräfteproblematik. Ostdeutschland
braucht gut qualifizierte Fachkräfte, um die Überle-
bensfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Unter-
nehmen zu sichern. Schon heute ist in vielen Berei-
chen ein Facharbeiter- und Ingenieurmangel spürbar,
sowohl im Maschinenbau als auch im Handwerk.
Deshalb ist es dringend notwendig, dass sich die
Bundesregierung deutlich stärker als bisher mit den
Themen Bildung sowie Integration von Ausländern
auseinandersetzt. Sie muss Zeichen setzen und gute
Rahmenbedingungen schaffen: in der Schul-,
Hochschul- und Wissenschaftspolitik, in der Vergabe
von Stipendien und bei Forschungsaufträgen.
Auch Gruppen, die bisher nicht im Fokus standen, kön-
nen helfen, die Fachkräftesituation zu entspannen.
Hierzu gehört, Arbeitslosen mit langjähriger Berufs-
erfahrung eine Chance zu geben oder vermehrt junge
Frauen für technische Berufe zu interessieren. Darü-
ber hinaus ist jedes Unternehmen angehalten, seine
Mitarbeiter entsprechend den steigenden Anfor-
derungen kontinuierlich weiterzubilden und zu quali-
fizieren.
Wachstum dies- und jenseits des Atlantiks
Auslandsgeschäfte sind für den Maschinenbau nicht
nur Basis für Wachstum und Beschäftigung, sondern
auch Treiber von Innovationen. Chancen auf den
Weltmärkten gibt es reichlich – allein die wachsende
Bevölkerung und der in vielen Regionen der Welt be-
stehende Nachholbedarf bergen ein riesiges Potenzial
für die Entwicklung von Infrastruktur und Industrie.
Allerdings wird der ohnehin schon stark ausgeprägte
Wettbewerb noch weiter zunehmen. Vor allem Markt-
begleiter aus den Schwellenländern, allen voran Chi-
na, werden vermehrt vorn mitmischen und sich als
große Anbieter etablieren: mit einem großen Heimat-
markt als „Standbein“ und mit staatlich finanziertem
„Rückenwind“ auf den Auslandsmärkten. In Ost-
deutschland müssen wir uns daher intensiver als bis-
her mit Unternehmensstrategien auseinandersetzen,
die auf die Erschließung neuer Absatzmärkte zielen.
Dabei sollten neue Märkte in Europa und in Übersee
nicht als reine Exportmärkte betrachtet werden.
Vielmehr ist es erforderlich, in den zentralen Absatz-
märkten auch direkt vor Ort zu produzieren, Vertriebs-
und Servicebüros einzurichten sowie diese Märkte für
die Beschaffung zu nutzen.
Für den typischen und in Ostdeutsch-
land charakteristischen Mittelstand ist
es sicherlich nicht ohne Weiteres mach-
bar, sich noch intensiver überregionalen
Märkten zuzuwenden und die damit
einhergehenden Herausforderungen zu
bewältigen. Geeignete Alternativen
können daher eine umfassende Ver-
netzung sowie Exportkooperationen
sein. Dann werden sich auch die ost-
deutschen Maschinen- und Anlagen-
bauer unter diesen veränderten Markt-
und Wettbewerbsbedingungen behaup-
ten können.
Auch die deutsche und europäische
Politik muss erkennen, wie wichtig of-
fene Märkte und exportorientierte
Unternehmen für den Erfolg des Stand-
ortes Deutschland sind. Sie sollte die
Industrie adäquat unterstützen, indem
sie die internationalen Rahmenbedin-
gungen zukunftsweisend mitgestaltet
und die Innovationskraft zielgerichtet
fördert.
Verlässliche Rahmen-
bedingungen gefordert
Die Politik – ob auf Europa-, Bundes-
oder Landesebene – muss sich drin-
gend auf ihre Verantwortung für inves-
titionsfreundliche Rahmenbedingungen
besinnen. So brauchen wir eine Arbeits-
marktpolitik, die es Unternehmen er-
laubt, flexibel auf Schwankungen im
Auftragseingang zu reagieren. Wichtig
ist eine verlässliche und nachhaltige
Energiepolitik, die Investitionssicher-
heit gewährleistet. Ebenso dringlich ist
eine klare, zukunftsfähige Bildungspo-
litik, die Missstände weiter abbaut, bei-
spielsweise die Zahl junger Menschen
ohne Schulabschluss oder Berufsaus-
bildung reduziert.
Wichtig ist zudem eine stärkere Bereit-
schaft zu zweckmäßigen Reformen. Die
politischen Entscheidungen in der Ren-
ten-, Lohn- und Beschäftigungspolitik
der vergangenen Monate schwächen
eher den Industriestandort Deutsch-
land. Überfällig ist ein erfolgsorientier-
tes Zukunftsprojekt 2025, das den
Unternehmen Luft zum Atmen lässt.
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